Depression
Eine Einführung zum Thema Depression: Symptomatik und Abgrenzung.

Die Depression ist eine heilbare Krankheit.
Wir möchten Ihnen hier eine Einführung geben, wie sich depressive Störungen äußern, warum sie entstehen und wie man sie behandeln kann.

Die Depression hat viele Gesichter.

  • Sind Sie niedergeschlagen, hoffnungslos, verzweifelt?
  • Oder haben Sie den Eindruck, gar keine Gefühle mehr zu spüren
  • Bereiten Ihnen Dinge, die zuvor angenehm waren, heute keine Freude mehr?
  • Ermüden Sie rasch und sind weniger belastbar, können aber trotzdem nicht gut schlafen?
  • Fühlen Sie sich in der letzten Zeit häufiger überfordert, ängstlich und irritiert?
  • Liegen Sie nachts oft wach und können sich kaum vom Grübeln lösen?
  • Kommen dabei auch Gedanken vor, schuldig oder wertlos zu sein oder sogar, nicht mehr leben zu wollen?

Dies können Anzeichen für eine Depression sein.

Sie sind nicht allein.

In Deutschland leben über fünf Millionen Menschen mit einer Depression. Da jede Depression anders aussieht, sollte jedoch ein Spezialist die Diagnose stellen. Die Depression ist eine Krankheit, die heilbar ist. Heilbar sind sogar besonders hartnäckige (sog. therapieresistente) oder lang überdauernde (sog. chronische) Depressionen.

Übrigens: Auch körperliche Beschwerden kommen dabei häufig vor, denn unser Körper findet noch Ausdrucksmöglichkeiten, wo die Sprache verstummt.

Details zu der Erkrankung Depression

Eine der größten Errungenschaften der modernen Depressionsbehandlung ist die Wissenschaftlichkeit. Ja – Sie lesen ganz richtig. Vor wenigen Jahrzehnten hingen Diagnostik und Behandlung der Depression hauptsächlich von Modellen ab. Diese Modelle widersprachen sich teils deutlich. Heute hat sich die moderne Psychiatrie und Psychotherapie auf eine beschreibende Krankheitseinteilung zurückgezogen und damit die erfahrungsgetragene (empirische) Forschung zur Depression ermöglicht.

Hierzu ein Beispiel: Früher unterschieden die Psychiater die endogene Depression von der reaktiven Depression. Erstere ist eine Depression, als deren Ursache man eine Veranlagung annahm, während letztere als Reaktion auf äußere Einflüsse verstanden wurde. Dieser Unterscheidung wohnte automatisch ein Modell inne. Die eine Form der Depression wurde als schicksalhaft begriffen, die andere eben gerade nicht. Wenn aber bereits die Unterscheidung der Krankheiten auf Annahmen beruht, ist nachvollziehbare Forschung erschwert.

Um dieses Dilemma zu lösen, wird in der modernen Psychiatrie und Psychotherapie die Modellbildung von der Krankheitsbeschreibung getrennt.

Die Diagnose erfolgt nunmehr auf Grundlage von beschreibbaren Merkmalen. Interpretiert werden kann später.

Wie sehen diese Merkmale denn nun aus?

Symptomatik der Depression

Die Symptome einer Depression werden im Hinblick auf die Schwere bzw. den Ausprägungsgrad sowie bestimmte Zeitkriterien (Dauer und Verlauf) hinterfragt.

Je nach Dauer und Verlauf kann es sich um eine depressive Episode, eine wiederkehrende ( = rezidivierende) depressive Störung oder eine anhaltende depressive Verstimmung ( = Dysthymia) handeln.

Exkurs: Falls die Antriebslage von einem reduzierten in einen gehobenen Zustand wechselt, sind andere Störungen des Gemütszustandes ( = affektive Störungen) in Betracht zu ziehen, z.B. sogenannte bipolare Störungen (früher benannt als manisch-depressive Erkrankung). Die bipolare Störung kann in unserer Klinik behandelt werden, wenn Sie im Zustand der bipolaren Depression zu uns kommen.

Hauptsymptome depressiver Episoden sind nach der ICD-10 (siehe dort Kapitel F32):

  • depressive, gedrückte Stimmung;
  • Interessenverlust und Freudlosigkeit;
  • Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit (oft selbst nach
  • kleinen Anstrengungen) und
  • Aktivitätseinschränkung.

Zusatzsymptome sind nach ICD-10 (siehe dort Kapitel F32):

  • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit;
  • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen;
  • Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit;
  • negative und pessimistische Zukunftsperspektiven;
  • Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen;
  • Schlafstörungen;
  • verminderter Appetit.

In der ICD-10 kann bei mittelgradigen depressiven Episoden auch klassifiziert werden, ob zusätzlich zu den Haupt- und Zusatzsymptomen ein somatisches Syndrom vorliegt. Typische Merkmale des somatischen Syndroms sind:

  • Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten;
  • mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige
  • Ereignisse emotional zu reagieren;
  • frühmorgendliches Erwachen, zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit;
  • Morgentief;
  • der objektive Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit;
  • deutlicher Appetitverlust;
  • Gewichtsverlust, häufig mehr als 5 % des Körpergewichts im vergangenen Monat;
  • deutlicher Libidoverlust.

Die Einordnung „mit somatischem Syndrom“ liefert wichtige Anhaltspunkte für die klinische Diagnose und Therapie, weil Betroffene mit somatischem Syndrom vergleichsweise stärker zur Entwicklung psychotischer Symptome neigen und vermehrt suizidgefährdet sind.

Der Schutz vor einem Suizid ist im Zusammenhang mit Depressionen ein wichtiges Thema, denn im Zustand der Depression kann ein Mensch einen “Tunnelblick” entwickeln und sich dann im schlimmsten Falle auf einen Suizid versteifen. Hier ist also stets Aufmerksamkeit geboten, zumal in Deutschland mehr Menschen an einem Suizid sterben als an Drogen, Verkehrsunfällen und AIDS zusammen. Zudem haben Depressionen mit somatischem Syndrom die Eigenschaft, sich eher von psychosozialen Faktoren abzukoppeln und zu verselbständigen.

Bei Vorliegen der Kriterien für eine schwere depressive Episode kann zusätzlich kodiert werden, inwieweit psychotische Symptome in der gegenwärtigen Episode zusätzlich gegeben sind (F32.2 ohne psychotische Symptome bzw. F32.3 mit psychotischen Symptomen). Hierunter fallen Wahnideen, Halluzinationen oder ein depressiver Stupor (Kontaktaufnahme dann kaum mehr möglich).

Ursachen und Entstehung einer Depression

Viele Patientinnen und Patienten stellen sich die Frage, „warum hat gerade mich eine Depression getroffen“? Bevor wir uns dem „technischen Aspekt“ der wissenschaftlichen Begründung widmen, möchten wir Ihnen hierzu zwei Sichtweisen an die Hand geben, die beide ihre Berechtigung haben.

Die Depression ist eine Krankheit. Eine Krankheit hat immer auch ein Stück weit etwas Schicksalhaftes. Man kann allenfalls die Wahrscheinlichkeit reduzieren, eine bestimmte Krankheit zu bekommen. Stets sind aber auch Faktoren im Spiel, die wir nicht beeinflussen können.

Sich die „Krankheit Depression“ einzugestehen, kann insoweit auch entlasten. Denn während einer Depression ist es für Betroffene hilfreich, zu akzeptieren, dass Antrieb, Konzentration, Lustempfinden und viele andere psychische und körperliche Funktionen reduziert bzw. gestört sind. Ein Mensch, dessen Bein gebrochen ist, hat schließlich auch keine Schuldgefühle, nicht schnell laufen zu können…

Eine solche Sichtweise kann vor allem zum Behandlungsbeginn förderlich sein. Im Laufe der Behandlung erleben viele Betroffene allerdings den Wunsch, man möge doch diese Krankheit „wegmachen“ oder „herausnehmen“. Die Depression ist dann zwar als Krankheit anerkannt, aber als etwas „Fremdes“, „von außen Kommendes“.

Dann ist es häufig an der Zeit, anzunehmen, dass diese „Krankheit Depression“ eben nichts Fremdes ist, sondern Gründe hat. Eine psychische Erkrankung entwickelt sich immer auch im Gleichklang mit der Persönlichkeit und prägt diese wiederum. An dieser Stelle kann es dann wiederum heilsam sein, zu erkennen, dass die eigentliche Persönlichkeit nicht „leistungsfähig im Turbogang“ ist – und die Depression kein exotischer Hemmschuh, sondern dass die eigene Persönlichkeit nunmal auch nur begrenzt leistungsfähig ist. Sich hiermit anzufreunden, fällt nicht allen Menschen gleichermaßen leicht.

„Und warum habe ich denn nun eine Depression?!“

Wie für die meisten psychischen Erkrankungen gilt auch für die Depression, dass es mehrere Faktoren gibt, die eine Depression begünstigen und dann ausbrechen lassen. Diese Faktoren liegen auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene. Es handelt sich also um ein „Viel-Faktoren-Modell“ bzw. ein „mehrdimensionales Modell“. Man kann sich das in etwa so vorstellen: Jeder Mensch bringt eine individuelle Veranlagung mit, eine Depression auszubilden. Diese Veranlagung ist auf der einen Seite genetisch beeinflusst.

So leicht ist es aber doch nicht. Es wird eben nicht in der Erbanlage bestimmt, wer an einer Depression leiden wird und wer nicht. Vererbt wird lediglich die Höhe der Schwelle, an einer Depression zu erkranken. Auch frühe Bindungserfahrungen tragen zu einer Veranlagung bei. In unseren frühen Jahren können wir also jede Menge Stärkung mit auf den Weg bekommen. Wir können aber auch erst recht anfällig für eine Depression (gemacht) werden. Somit trägt jeder Erwachsene ein Bündel schützender Faktoren und Widerstandskraft (sogenannte „Resilienz“) genauso wie Anfälligkeit und Verletzlichkeit (sogenannte „Vulnerabilität“) in sich. Zu beidem tragen Gene und Lebens- und Bindungserfahrungen bei.

Je nach dem, wie dieses Bündel individuell aussieht, unterscheiden sich auch die Stressfaktoren, die eine Depression ausbrechen lassen. Dies hat jeder Mensch in seinem Umfeld schon beobachtet. Die einen können sogar den Verlust eines nahen Menschen verkraften, während die anderen bereits auf eine leichtere Lebensveränderung depressiv reagieren – und manchmal eine echte Depression ausbilden.

Organisch begründete affektive Störungen.

Im Rahmen einer teilstationären Behandlung fahnden wir mittels umfassender Untersuchungen auch nach organischen Begründungen einer Depression. Denn diese organischen Bedingungen können eben auch in unser beschriebenes mehrdimensionales Modell hineinspielen.

Es ist aber tatsächlich äußerst selten, dass sich ausschließlich depressive Symptome zeigen und diese dann nur durch eine einzige biologische Ursache begründbar wären. Dies kann z.B. im Rahmen einer Schilddrüsenerkrankung oder eines Hirntumors vorkommen. Bei genauer Befragung stellt sich aber meist heraus, dass solche körperlichen Erkrankungen auch weitere Symptome verursacht haben, die bisher aber übersehen wurden. Daher ist eine umfassende und exakte Diagnostik sehr bedeutsam.

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